Schulhund

Konzept „Schulhund“ an der Lessing-Stadtteilschule

  1. Organisation: Nach 6 Jahren treuer Begleitung im Schulalltag, wurde die schulerfahrene Goldenretrieverhündin Jule im Schuljahr 21/22 nach und nach von der jungen Colliehündin Kira abgelöst. Kira sowie der weiße Schäferhund Eyla begleitet ihre jeweilige Besitzerin, Fr. Stephan bzw. Frau Wolf in die Schule und sind  mit im Unterricht. Während der Pausen bleiben die Hunde im Klassenraum oder begleitet ihre Besitzerinnen.
  2. In der Klasse: Kira und Eyla haben in der Klasse einen Rückzugsplatz. Die Kinder wissen, dass die Hunde dort nicht gestört werden dürfen. In der Klasse gibt es klare Regeln im Umgang mit den Hunden, die detailliert mit der Klasse besprochen werden.
  3. Hygiene: Die Schüler:innen werden angehalten, nach Berührungen mit dem Hund und vor allen Dingen bevor sie dann etwas essen, die Hände zu waschen. Tierhaarallergien werden im Vorwege ausgeschlossen. Beide Hunde werden mindestens alle drei Monate einer Wurmkur unterzogen und sind geimpft. Außerdem dürfen die Hunde Küche und Speiseräume nicht betreten.
  4. Wesen des Hundes: Die Auswahl der Rasse erfolgte nach strengen Kriterien, die sicherstellen sollen, dass der Umgang dieses Hundes mit Kindern gefahrlos ist und der Hund von seinem Wesen für den Einsatz in der Schule geeignet ist.
  5. Partizipation: Das Konzept wurde der Gesamtkonferenz vorgestellt. Kinder und Eltern wurden im Vorfeld über das Projekt informiert.
  6. Ziele: Die diesem Konzept zugrundeliegende Didaktik folgt den allgemeinen Lernziele der tiergestützten Pädagogik1. Folgende Lernziele, die auch die Lessing Grundsätze zur Grundlage machen, lassen sich formulieren:
    • Schaffung einer positiven, angstfreien Lernatmosphäre als Grundlage der täglichen Arbeit. Lernen mit Tieren fördert die emotionale und soziale Intelligenz der Schüler:innen und steigert die verbalen und mathematischen Fähigkeiten nachweislich. Lernen ist immer von Emotionen begleitet. In einer angenehmen Lernumgebung lernt es sich besser und einfacher. Langjährige Erfahrungen an anderen Schulen zeigen, dass die Anwesenheit eines Tieres im Klassenraum die Lernumgebung positiv gestaltet. Es entsteht eine lockere, freundliche Atmosphäre und körperliche und verbale Aggressionen gehen deutlich zurück. Es finden erwiesenermaßen Lernprozesse statt, die sich durch klassische kognitive Lerntheorien nur begrenzt erklären lassen.
    • Stärkung von Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein: die Schüler:innen müssen sich auf das Tier einlassen, sich konzentrieren, sich selbst nötigenfalls korrigieren. Im Spiel, d.h. wenn sie auf einfache Kommandos der Kinder positiv reagieren, vermitteln die Hunde Erfolgserlebnisse, Selbstvertrauen und Selbstachtung. Der Glaube an die eigene Tüchtigkeit wird gestärkt. Besonders schüchterne oder ruhige Kinder finden schnell einen Zugang zum Schulhund, da der Hund instinktiv auf die (Körper-) Sprache der Kinder reagiert: Wenn sie klare Gesten einsetzen und ruhig sprechen, lässt sich der Hund gerne von den Kindern streicheln oder bürsten. Und belohnt sie so – unabhängig von kognitiven Leistungen der Schüler:innen. Im Gegenzug gefallen ihm lautstarke Auseinandersetzungen unter Kindern oder ein hoher Geräuschpegel im Klassenraum nicht und er verlässt den Raum.
    • Stärkung der Persönlichkeit: Tiere sind urteilsfrei. Dem Hund sind Aussehen, Schulnoten, Akzeptanz in der Klasse/Gruppe oder Religionszugehörigkeit gleichgültig. Er hat keine Erwartungshaltung an die Schüler:innen und so entsteht kein Erwartungsdruck oder Stress. Erwiesen ist, dass durch die Berührung eines warmen Fells Trauer, Aggressionen und Stress abgebaut werden und ein Entspannungszustand eintritt. Schüchterne und ruhige Kinder erleben im Umgang mit dem Hund mehr Zuwendung als unter Menschen, da der Hund auf Körpersignale reagiert, Ängste können abgebaut werden, der Hund vermittelt Sicherheit.
      „Tiere bauen unechte Kommunikation ab, erleichtern die Kontaktaufnahme und aktivieren. Sie ermöglichen eine angemessene Abgrenzungsfähigkeit, reduzieren vorzeitige Beziehungsabbrüche und führen zu einem besseren Zugang zu den eigenen Emotionen und Instinkten.“
      (Prof. Dr. Erhard Olbrich, Vortrag)
    • Die Kommunikationsfähigkeit (nonverbal und verbal), eine der Schlüsselkompetenzen für die Erreichung der Berufsreife, wird deutlich gestärkt: Es gibt täglich neue Anlässe zum Gespräch über den Hund zwischen Schüler:innen und Lehrkräften und mit anderen Lerngruppen (klassenübergreifend). Hinzu kommt die nonverbale Kommunikation mit dem Hund, das Deuten der Körpersignale. Das genaue Beobachten des Hundes schult auch für die zwischenmenschliche Kommunikation.
    • Konzentration und Aufmerksamkeit werden durch die Anwesenheit des Hundes im Klassenraum gefördert, der Geräuschpegel deutlich gesenkt (die Kinder wissen, dass der Hund alle Geräusche 15x so laut hört wie ein Mensch und erleben auch, dass er auf Lärm schnell, konstant und deutlich reagiert (s.o).
    • Einüben von Rücksichtnahme und Empathie: Kinder lernen durch die Anwesenheit eines Hundes, dass jedes Lebewesen ein Recht darauf hat, freundlich behandelt zu werden. Der Umgang mit einem lebendigen Tier fördert die Rücksichtnahme und macht den Kindern bewusst, dass Tiere mitleidende Wesen sind, die respektiert werden wollen. Der Umgang mit dem Hund erfordert das genaue Beobachten und Decodieren der analog geäußerten Signale und ein entsprechendes Verhalten dem Tier gegenüber. Das Sozialverhalten kann so wesentlich gebessert werden.
    • Der kollegiale Teamgeist wird gestärkt: die Klasse als „Hundebesitzer“ verbindet eine Gemeinsamkeit. Ihre gemeinsame Sorge für und Zuneigung zu den Hunden lässt eine große Loyalität untereinander wachsen.
    • Einüben von Verantwortungsübernahme: Die Schüler:innen übernehmen Verantwortung für die Hunde, indem sie z.B. regelmäßig für Wasser sorgen, Fellpflege, auf Bedürfnisse des Hundes eingehen, den Hund in Begleitung von Fr. Stephan und Frau Wolf Gassi führen usw.
  7. Schulhunde an der Lessing-Stadtteilschule: Individuen in gemeinsamer Verantwortung. Gerade an der Lessing- Stadtteilschule, deren Schülerschaft einer außerordentlichen Heterogenität (sowohl ihre Kultur, ihre soziale Herkunft, als auch ihre Leistungsfähigkeit nicht zuletzt aufgrund der gelebten Inklusion betreffend) unterworfen ist, schaffen Schulhunde das Gefühl der Gemeinsamkeit. Aber auch die gelebte Individualität ist Leitbild der Lessing-Stadtteilschule. Es zählt der einzelne und seine Fähigkeit, nach seinen Möglichkeiten und orientiert an seinen Kompetenzen zu lernen – unsere Schüler:innen sollen sich im Umgang mit Kira und Eyla als kompetente und mündig handelnde Wesen erleben und lernen, Verantwortung für sich und ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Soziale Ängste, die unseren Schüler:innen so oft den Umgang mit ihren Mitschüler:innen und Lehrer:innen erschweren, können in der Interaktion mit Kira Eyla eher abgebaut werden. Es geht dabei gerade für unsere Schüler:innen darum, Rücksichtnahme, soziale Sensibilität und angemessene Formen der Selbstbehauptung (Konsequenz) zu erlernen.

Fußnote 1: Heyer, Meike und Kloke, Nora: Der Schulhund. Eine Praxisanleitung zur hundgestützten Pädagogik im Klassenzimmer, Nerdlen 2013

Stand: September 2022