Luftbild der Lessing-Stadtteilschule

Besuch der Zeitzeugin Ruth Weiss an der Lessing-Stadtteilschule

Am Freitag, den 04.09.2020, fand im Rahmen des Deutsch-Abiturthemas „Transit: Zwischen Aufbruch und Ankunft“ der Besuch der Journalistin, Schriftstellerin und Zeitzeugin Ruth Weiss in der Aula des Gebäudes „Conti“ unter Anwesenheit des 13. Jahrgangs statt. Mitgebracht hat sie Herrn Lutz Kliche als Moderator und eine Freundin, Frau Thevs, die am ehemaligen Mädchen-Gymnasium, das später zum Lessing-Aufbaugymnasium und dann zur Lessing-Stadtteilschule wurde, ihr Abitur abgelegt hat.

Ruth Weiss wurde im Jahr 1924 in Fürth geboren und hat bis zum Beginn der NS-Zeit ein gewöhnliches Leben geführt. Bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hat die Diskriminierung gegen Juden ein immer größeres Ausmaß angenommen. Weiss schildert, dass sich ihr Leben drastisch veränderte, wobei es eher harmlos anfing, als ihre Freunde und Nachbarn sie zunächst nur ignorierten. Infolge dieser Entwicklung beschloss ihre jüdische Familie 1936 nach Südafrika zu emigrieren. Zu diesem Zeitpunkt war sie 12 Jahre alt.

Bei der Ankunft in Südafrika fiel ihr auf, dass die Kultur der weißen Bevölkerung der europäischen Kultur stark ähnelte. Erste Begegnungen mit ihren weißen Nachbarn in Südafrika hatten Einfluss auf ihren weiteren Karriereweg, denn ihre Nachbarn haben der Familie bedauerlicher Weise die ethnische Abgrenzung insofern nahegelegt, dass sie nicht mit der schwarzen Bevölkerung interagieren sollte. Da sie selbst erleben musste, wie es ist, ignoriert und diskriminiert zu werden, hat sie angefangen, als Journalistin gegen die Apartheid zu schreiben und sich allgemein gegen Rassismus zu engagieren.

Im Anschluss an ihre Erzählungen hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Im Folgenden eine Auswahl der Fragen:

Gibt es etwas, das Sie bereuen?

Ruth Weiss bereut, dass sie nicht studieren konnte. Dies führte unter anderem zu Minderwertigkeitskomplexen bei ihr, wenn sie anderen gegenüberstand, die studiert haben.

Wie war es, als Sie zurück nach Deutschland kamen?

Als sie von den Ereignissen, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus abgespielt hatten, erfahren hat, wollte sie nichts mehr mit Deutschland zu tun haben. Weiterhin erzählt sie, dass es ihr bei der Rückkehr nicht gut ergangen ist, da sie von  Rückblicken geplagt wurde, die sie nicht verkraften konnte.

Wo würden Sie ihre Heimat verorten?

Für sie ist ihre Heimat dort, wo sie sich bei Freunden akzeptiert und wohlfühlt. Aufgrund der NS-Zeit trifft dies nicht auf Deutschland zu, aber auch in Südafrika fühlte sie sich aufgrund des Systems der Apartheid nicht wohl.

Was halten Sie vom Staat Israel und dem andauernden Konflikt?

Der Staat Israel ist für sie ein Staat, der den Juden Sicherheit gibt. Jedoch kritisiert sie die Politik des derzeitigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Sie findet es schade, dass es wenig bis keine Interaktion zwischen Palästina und Israel gibt. Für die Zukunft würde sie sich eine Zwei-Staaten-Lösung wünschen.

Haben Sie die Freunde aus dem Dorf in Deutschland wiedergesehen?

Sie hat nach dem Verlassen von Deutschland nicht mehr das Dorf betreten. Einerseits will sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen und andererseits denkt sie, dass ein Wiedersehen weder für sie noch für ihre Freunde einen Zweck haben würde. Zum Schluss erläutert sie, dass ihre Freunde keine Schuld am Geschehenen hatten, weil sie nur blind Befehlen folgten, wie es für Kinder üblich sei.

Bericht: Hussain M. (S3-Schüler der Lessing-Stadtteilschule)